Liegebikefahrer befinden sich nur wenige Zentimeter über der Fahrbahn, werden im Straßenverkehr leicht übersehen, immer wieder kommt es zu schweren Unfällen. Und jedes Mal kocht die Diskussion um mehr Sicherheit wieder hoch. Die Handbike-Hersteller suchen nach Antworten, dabei machen ihnen aber gesetzliche Regelungen einen Strich durch die Rechnung.
Im Juni verunglückte Michael Heil, Gründer und langjähriger Geschäftsführer des Reha-Fachhandels Rehability, bei einem tragischen Unfall mit seinem Handbike. Eine 39-jährige Autofahrerin hatte den knapp über dem Boden liegenden Sportler bei hohem Pflanzenbewuchs in der Feldmark übersehen. Durch den Zusammenstoß wurde der 53-Jährige lebensgefährlich verletzt. Trotz intensivmedizinischer Erstversorgung starb er noch an der Unfallstelle. Heil reiht sich damit in eine Serie trauriger Unfälle ein. Erst im vergangenen Jahr verunglückte der bekannte österreichische Handbiker Manfred Putz. Vor zwei Jahren starb der mehrfache Paralympics-Sieger Markus Pilz, nachdem ihm ein Autofahrer die Vorfahrt genommen hatte.
Es wird eng auf den Straßen
Da es nicht überall geeignete Fahrradwege gibt, müssen Handbiker gezwungenermaßen auch in den Straßenverkehr. Vorschriften, welche Sicherheitsausstattung ein Handbike dafür haben muss, gibt es nicht. „Ein Handbike ist weder Rollstuhl, noch Fahrrad“, erklärt Anthony Kahlfeldt vom deutschen Rollstuhlsportverband. „Wir befinden uns hier in einer Grauzone.“ Und der Platz auf den Straßen werde zunehmend enger. „Wir beobachten, dass seit der Einführung der Lkw-Maut der Lastverkehr zunehmend auf Bundesstraßen ausweicht, gleichzeitig verlagert sich der Pkw-Verkehr auf die Landstraße, dort wo eben auch Handbiker unterwegs sind“, berichtet Kahlfeldt.
Handbikes sicherer machen
Errol Marklein vom Rollstuhl- und Handbike-Hersteller Sunrise Medical zeigte in Anbetracht immer schnellerer Bikes und steigendem Verkehrsaufkommen bereits vor zwei Jahren im Gespräch mit RehaTreff (4/2014) dringenden Handlungsbedarf auf. „Wir müssen neue Techniken entwickeln, mit denen wir auf Augenhöhe des Autofahrers kommen und dort auch wahrgenommen werden“, erklärte der langjährige Manager des Team-Sopur. Eine einfache Warnfahne reiche nicht aus. Aufmerksamkeit erzeuge man am besten mit blinkenden Lichtern, ist sich Marklein sicher. Legal sei das aber nicht, denn Lampen, die auch bei Tageslicht wahrgenommen würden, hätten keine Straßenverkehrszulassung. „Dennoch statten viele unserer Kunden ihre Bikes mit solchen Lampen aus“, berichtet Marklein. Ab Herbst soll es bei Sunrise Medical auch die passende Halterung zu kaufen geben.
Viel hilft viel
Ähnliche Erfahrungen hat man auch bei der schwäbischen Handbike-Schmiede Pro Activ gemacht. „Wir empfehlen jedem unserer Kunden eine hohe Warnfahne und für die Dämmerung und Dunkelheit eine ausreichende Beleuchtung. Viele Kunden bringen ein zusätzliches Blinklicht an der Fahnenstange und weitere helle Beleuchtung nach individueller Einschätzung an ihrem Bike an“, erklärt Marketing-Leiterin Ellen Mortha. „Die Verantwortung für den Einsatz weiterer heller Beleuchtung außerhalb unseres Beleuchtungssortiments liegt letztendlich beim Fahrer“, betont sie. Derweil testen die Schwaben noch eine weitere Variante. Für den Langstreckenfahrer Boris Guentel wurde ein Handbike mit einem höhenverstellbaren Fahnen- und Armaturenträger ausgestattet, der von Herrn Guentel mit zwei fluoreszierenden Fahnen versehen wurde, die sich bis auf eine Höhe von 1,93 Meter strecken. Guentel komplettierte das Bike mit 140 LUX starken Lampen. „In seinem Praxistest zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten hat sich die gute Sichtbarkeit bei anderen Verkehrsteilnehmern bestätigt“, so Mortha. Nachteile dieser Konstruktion seien natürlich das zusätzliche Gewicht und der zusätzliche Windwiderstand. Das Gesamtgewicht des Handbikes mit allen Anbauteilen und Sicherheitsvorrichtungen beträgt 16,8 kg. Diese Konstruktion wird von Pro Activ nicht serienmäßig angeboten, kann aber auf Nachfrage im Sonderbau geordert werden.
Weiterhin keine Klarheit
Im Jahr 2014 wurde vom Deutschen Rollstuhlsportverband in Kooperation mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) eine Initiative ins Leben gerufen, die eruieren sollte, wie Handbikes im Straßenverkehr einzuordnen sind. „Dies hätte auch die Chance eröffnet, eine Straßenverkehrszulassung für helle Handbike-Lampen zu erhalten“, betont Errol Marklein. Der Deutsche Rollstuhlsportverband musste das Projekt jedoch aufgrund anderer Prioritäten zurückstellen. Handbiker bewegen sich auf deutschen Straßen weiterhin in einer Grauzone. Wer mit nicht zugelassenen Lampen „erwischt“ wird, kann von der Polizei mit einem Bußgeld belangt werden. Dieses Risiko wird in anbetracht des Nutzens aber gerne in Kauf genommen.
Nicht nur durch den Trend zur E-Mobilität sind auch immer mehr „Fußgänger“ mit Liegerädern unterwegs, bei denen der Fahrer halbaufrecht liegend in einem Schalensitz Platz nimmt. Vielen ist das Risiko, von Autofahrern übersehen zu werden, nicht bewusst. Die Polizei der Fahrradstadt Münster hat deshalb eine Aufklärungskampagne gestartet. „Bei einer hohen Verkehrsdichte, wie es sie in einer Stadt gibt, sollten Liegeradfahrer nicht mit so hoher Geschwindigkeit fahren, wie sie es vielleicht außerorts tun“, heißt es darin. Damit Autofahrer die halbhohen Räder besser wahrnehmen, wird die Montage eines Wimpels empfohlen. Zudem rät die Polizei zu besonderer Vorsicht und vorausschauendem Fahren: „Ausweichen ist nicht so leicht möglich. Mit einem Fahrrad kann man schnell noch mal einen Schlenker machen, das geht beim Liegerad nicht so gut, erst recht nicht, wenn man ein Modell mit drei Rädern benutzt.“
ES
Dieser Artikel erschien im RehaTreff (03/2016).Hier können Sie ein kostenloses Probeheft oder ein Abo bestellen (21 €/Jahr für vier Ausgaben) |