Bundespräsident Steinmeier: Die Lebenshilfe steht für Offenheit, Vielfalt und ein partnerschaftliches Miteinander

„Die Lebenshilfe zeigt, was es heißt, Humanität zu leben. Sie steht für Offenheit, Vielfalt und ein partnerschaftliches Miteinander, für Respekt und Achtung.“ So würdigt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die 60-jährige Geschichte der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Der Verband ist die größte Fach- und Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien in Deutschland. Er feierte Jubiläum im Café Auster in Berlin, gemeinsam mit dem Staatsoberhaupt und weiteren Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft. Das aktuelle Motto der Lebenshilfe lautet Teilhabe statt Ausgrenzung. „Von der Haltung der Lebenshilfe“, betonte Steinmeier, „brauchen wir heute mehr in unserem Land.“

Die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, erinnerte in ihrer Rede an den niederländischen Pädagogen Tom Mutters, der 1958 im hessischen Marburg gemeinsam mit Eltern und Fachleuten die „Bundesvereinigung Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind“ gründete. Ziel der Lebenshilfe sei es von Anfang an gewesen, „dass die Kinder zuhause bei den Eltern in der Gemeinde aufwachsen können – und nicht in der abgeschlossenen Welt einer Anstalt verwahrt werden. Eine zur damaligen Zeit geradezu revolutionäre Idee“.

Rasant entwickelte sich der Verein weiter: Landauf, landab entstanden Lebenshilfe-Initiativen vor Ort. Heute sind es 502 örtliche Vereinigungen und 16 Landesverbände mit mehr als 125.000 Mitgliedern und über 4.300 Diensten und Einrichtungen. Ulla Schmidt dankte allen Menschen mit Behinderung, die sich als Selbstvertreter engagieren, den Eltern und Angehörigen sowie den ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen. „Dass mit Ramona Günther eine Selbstvertreterin unsere heutige Jubiläumsfeier eröffnet hat, ist ein Erfolg der Arbeit der Lebenshilfe. Mit dem Aufbruch der Eltern und Familien, mit dem Einsatz und Engagement unserer fachkundigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es in den letzten 60 Jahren gelungen, Fähigkeiten freizulegen, die zuvor verschüttet und eingeengt waren“, so die Bundestagsabgeordnete und frühere Gesundheitsministerin.

Wie viel Potential in Menschen mit Behinderung steckt, wurde auf der Feier auch an anderer Stelle deutlich: Unter dem Titel Ganz plastisch. hatte die Bundesvereinigung Lebenshilfe zu Beginn ihres Jubiläumsjahres einen Kreativwettbewerb für Amateure ausgeschrieben: Menschen mit und ohne Behinderung waren aufgerufen, selbst erstellte räumliche Objekte zum Thema Teilhabe statt Ausgrenzung einzureichen. Aus den 420 Beiträgen hatte eine Jury aus Künstlern und Wissenschaftlern sechs für den ersten Preis nominiert. Auf der Jubiläumsfeier wurde diese Auswahl nun vorgestellt und schließlich der Sieger verkündet: Der 33-jährige Maximilian Weiger aus Sigmaringen, der in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet und in seiner Freizeit in einem offenen Atelier künstlerisch tätig ist, bekam den Award für seine Arbeit „Jägersitz und Beichtstuhl“, die – so die Jury – „so vermeintlich selbstverständliche Gegebenheiten wie Ausgrenzung und Diskriminierung in ihrer ganzen Fragwürdigkeit deutlich werden lassen und zum kritischen Blick herausfordern“.

Sichtlich bewegt, interessiert und nachdenklich hatten die rund 250 Jubiläumsgäste zuvor die Schilderungen auch der anderen nominierten Künstlerinnen und Künstler zur Entstehung ihrer Werke verfolgt. Zu den Finalisten zählten neben Maximilian Weiger auch Michael Dinges aus Worms mit „Lasst Luft ab – Zeit für Demokratie“, die Schüler Elias Könen und Julius Mommsen aus Trier mit „Unentschieden“ beziehungsweise „Farbe (bekennen)“, Tanja Scherer aus Offenburg mit „Totenkopf“ und die Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnstätte Lebenshilfe Zittau mit ihrem Seifenkistenobjekt „Itzeblitz“.

„Die Ganz plastisch.-Teilnehmer“, sagte Bundesvorsitzende Ulla Schmidt, „haben uns gezeigt, in welch unterschiedlichen Formen Teilhabe und Ausgrenzung sich zeigen können. Umso mehr steht fest, dass sich die Lebenshilfe auch weiterhin mit aller Kraft für Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Behinderung einsetzen wird.“

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