„Rehasport ist Lebenshilfe“

Sport, sagt Britta Wend, habe in ihrem Leben schon immer eine große Rolle gespielt. Als Kind spielte sie leidenschaftlich Tennis, irgendwann kam Handball hinzu. Und nach dem Abitur stand fest, dass der Sport sie auch auf ihrem beruflichen Weg begleiten würde. Sie begann ein Studium an der Deutschen Sporthochschule Köln – wo sie seit 2017 eingeschrieben ist. Ihre Schwerpunkte: Sportmanagement und Kommunikation. Die gebürtige Bielefelderin bezeichnete sich selbst als „ambitionierte Hobbysportlerin“, die vielfältig in den Sportarten unterwegs war. Bis zu ihrem Unfall im Januar 2019. Beim Akrobatiktraining an der Hochschule stürzte sie, fiel unglücklich zu Boden und brach sich den ersten Lendenwirbel. Die Diagnose: inkompletter Querschnitt. Seitdem braucht sie teilweise für ihren Alltag einen Rollstuhl, auch an Sport ohne Rollstuhl ist nicht mehr zu denken. „Das heißt: Das Rückenmark war nicht komplett durchtrennt, sondern nur abgequetscht, so dass Funktionen, die weg waren, durchaus wiederkommen konnten und auch wieder gekommen sind“, erklärt Wend. Die Nachricht sei im ersten Moment ein Schock gewesen, aber unterkriegen ließ sie sich davon nicht. Im Gegenteil. „Ich bin ein positiver Mensch und habe die neue Situation für mich angenommen“, entgegnet die 27-Jährige. Schon nach wenigen Tagen habe sich auch die Universität bei ihr gemeldet und signalisiert, dass sie ihr Studium weiterführen kann. Dabei geholfen hat ihr auch die gesetzliche Unfallversicherung, bei der Britta Wend als Studentin automatisch versichert ist. Über die Unfallkasse NRW erhält die junge Sportlerin die Unterstützung, die sie für ihre Rehabilitation braucht. Die Leistungen schließen auch eine Rente mit ein, die ihr den Freiraum gibt, sich nun zu 100 Prozent dem Sport zu widmen.  „Nach meinem Unfall konnte ich nur meine vordere Oberschenkelmuskulatur bewegen“, schildert Wend. Dank gezielter Rehabilitations- und Trainingsmaßnahmen hätten in den Monaten danach glücklicherweise aber viele Muskeln in den Beinen wieder angefangen zu arbeiten. „Ich kann ein bisschen die Füße heben, ein bisschen den Fuß am Po anwinkeln, aber alles nicht mit voller Kraft. Die meisten Muskeln sind leicht ansteuerbar, was mir hilft. Trotzdem darf man nicht denken, dass ich viel damit bewegen kann.“ In einem speziellen Therapiezentrum lernte Britta Wend, einige Schritte frei zu laufen. Heute kann sie kürzere Distanzen sogar zu Fuß zurücklegen. Daran habe sie in der Reha viel gearbeitet. „Erst mit Rollator, dann mit Gehstütze und inzwischen bewege ich mich zu Hause laufend fort. In der Öffentlichkeit und bei längerem Strecken ist mir das aber zu anstrengend und auch zu unsicher, dann ist der Rollstuhl für mich ein sicheres Hilfsmittel, das mich schneller und schmerzfreier von A nach B bringt.“ Knapp neun Monate nach ihrem Unfall kehrte Wend an die Sporthochschule zurück und wurde dort auf Rollstuhltennis aufmerksam. Im Rahmen eines Diversity Management Kurses stellte ihr Dozent und heutiger Trainer Niklas Höfken Rollstuhl- und Blindentennis vor. Er lud sie darüber hinaus in seine Trainingsgruppe beim TC Weiden in Köln ein, bot ihr an, die Sportart auszuprobieren. Recht schnell war klar, dass sie dabeibleiben würde. Inzwischen ist sie fünfmal wöchentlich auf dem Tennisplatz, dazu kommen drei bis vier Krafttrainingseinheiten im Therapiezentrum MediLev in Leverkusen, wo sie überdies Physiotherapie bekommt. „Das macht etwa 15 Stunden Sport in der Woche“, erklärt Wend, die im Mai zusammen mit Katharina Krüger in Vilamoura (Portugal) Siebte bei der Mannschafts-Weltmeisterschaft wurde. Der Übergang in den Leistungssport sei fließend gewesen. Und darüber ist Wend sehr dankbar, die den Rehasport als wichtige Lebenshilfe wahrnimmt. „Nach einem Unfall kann der Sport helfen, die Veränderungen im Körper wahrzunehmen und ein Gefühl dafür zu bekommen, was geht und was nicht. Der Sport hilft zudem dabei, Mechanismen für den Alltag zu entwickeln, um mit anderen Bewegungen mögliche muskuläre Defizite auszugleichen“, sagt Wend, die Menschen nach Unfällen oder mit Erkrankungen dazu animieren möchte, Rehasport auszuprobieren. „Ich bin damit aufgewachsen, meinen Körper viel zu bewegen, und verstehe, welcher Muskel was tut. Ganz viele Menschen wissen das aber nicht. Umso wichtiger ist es, dabei von Therapeuten betreut zu werden und sich Dinge für einen selbstbestimmten Alltag anzueignen.“

Menschen mit Behinderung – ob geistig oder körperlich – brauchen mehr Möglichkeiten und verbesserte Zugänge zu Sport und Bewegung. Der Sport und insbesondere der Rehasport können helfen, körperliche Funktionen zu erhalten, soziale Kontakte zu fördern sowie das mentale Wohlbefinden zu unterstützen. Darauf wollen der Deutsche Behindertensportverband (DBS) und die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) aufmerksam machen. Im Rahmen der Aktion der DGUV unter dem Motto „Dein Start. Unser Ziel“ berichten Testimonials aus dem Reha- und Behindertensport darüber, wie sie zum Sport gekommen sind und welche Bedeutung dieser hat. Ihre Beispiele sollen andere Menschen mit Behinderung ermuntern, ebenfalls in Bewegung zu kommen. Hier gibt es weitere Informationen und Hintergründe.

Britta Wend hat nach ihrem Unfall den Tennissport für sich neu entdeckt und ihre Leidenschaft im Rollstuhltennis gefunden. Ihr Talent brachte sie schnell auf internationales Niveau. Für Training und Reisen ist sie viel unterwegs. Sie pendelt von ihrem Wohnort Remscheid immer wieder nach Köln und Leverkusen zum Training und an den Wochenenden zu Wettkämpfen. „Ich habe mich super eingerichtet in meinem Leben und für mich die Mischung aus Laufen und Fortbewegen im Rollstuhl gefunden. Ich bin jetzt sehr glücklich damit.“ Und darüber hinaus verfolgt Britta Wend noch einen großen Traum: die Qualifikation für die Paralympics 2024 in Paris.

Bildnachweis:Foto: PXN GmbH

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