Auf den Krimi folgen Riesenjubel und Freudentränen: Deutschlands Sitzvolleyballer haben bei der Europameisterschaft in Warendorf (NRW) nach einem dramatischen Fünf-Satz-Match (18:25, 26:24, 23:25, 25:21, 15:13) und einem hart umkämpften 3:2-Sieg gegen Russland das Endspiel erreicht und sich gleichzeitig direkt für die Paralympics in Rio de Janeiro qualifiziert. Im Finale trifft Deutschland am morgigen Mittwoch (15.30 Uhr) nun auf Top-Favorit Bosnien-Herzegowina, der sich erwartungsgemäß mit 3:0 gegen die Ukraine durchsetzte, das Rio-Ticket allerdings als Weltmeister schon zuvor gesichert hatte.
Das Halbfinale zwischen Deutschland und Russland in der Sportschule der Bundeswehr war nichts für schwache Nerven. Schließlich stand für beide Teams viel auf dem Spiel. Von Beginn an lieferten sich die Mannschaften packende Ballwechsel sowie spektakuläre Aktionen in Angriff und Abwehr. Ging der erste Satz mit 25:18 noch recht klar an Russland, wurde es danach immer spannender. Deutschland entschied Satz zwei hauchdünn mit 26:24 für sich, die Russen den dritten ebenso knapp mit 25:23.
In den vierten Satz starteten die Deutschen furios und führten mit 4:0 und 7:2, doch das Blatt wendete sich zum 7:8. Bis zum Schluss blieb es ausgeglichen, dann setzte sich das Team von Trainer Rudi Sonnenbichler ab und gewann 25:21. Die Entscheidung musste im Tie-Break her – und dieser begann für die Deutschen denkbar schlecht. Mit 0:3, 3:8 und 5:9 waren die Lokalmatadoren bei der Heim-EM im Hintertreffen, starteten allerdings eine starke Aufholjagd und führten plötzlich mit 11:10.
Russland nahm eine Auszeit, machte drei Punkte am Stück und der Sieg rückte für die Deutschen in weite Ferne. Doch die Mannschaft zeigte keine Nerven, hängte sich voll rein, führte nach sensationellem Endspurt mit 14:13 – und verwandelte den ersten Matchball zum Sieg. Der Rest war riesiger Jubel. Finaleinzug und Rio-Qualifikation – von Warendorf an den Zuckerhut sozusagen. Mit Brasilien-Fahne in der Hand und Tränen in den Augen feierten die Spieler überglücklich auf dem Spielfeld.
„Wir haben immer an uns geglaubt und es am Ende noch umgebogen. Die Gerechtigkeit siegt halt manchmal doch“, jubelte Cheftrainer Rudi Sonnenbichler. Er hatte nicht vergessen, dass die Russen das letzte Gruppenspiel gegen Lettland mit 0:3 herschenkten, um im Halbfinale den starken Bosniern aus dem Weg zu gehen. Die Antwort für die Unsportlichkeit gab sein Team mit einer Energieleistung auf dem Feld und steht jetzt morgen, 15.30 Uhr, im „Finale daheim“.
Gegen Bosnien hängen die Trauben beim Kampf um Gold zwar hoch, doch der deutschen Mannschaft ist nach diesem Halbfinal-Krimi alles zuzutrauen. „Wir wussten, dass es schwer wird und wir bis zum Schluss fighten müssen. Dass wir das Spiel nach fünf Toren Rückstand im Tie-Break noch drehen, ist einfach phänomenal. Die Zuschauer in der Halle haben uns noch einen zusätzlichen Schub gegeben“, freute sich Spielführer Heiko Wiesenthal. Und was ist im Finale möglich? „Bosnien ist der klare Favorit, doch jetzt wollen wir mit dem Publikum im Rücken natürlich auch Europameister werden.“
Foto: Ralf Kuckuck, DBS-Akademie